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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

„Sie mögen uns das Leben nehmen, aber niemals nehmen sie uns unsere Freiheit“ - dieses Zitat aus dem Film „Braveheart“ würde sich gut als Überschrift oder gar Leitgedanke für die Passion Christi, für seinen Kreuzweg eignen, den wir nicht nur in diesen Tagen der österlichen Bußzeit in gemeinsamen Feiern oder im stillen Gebet ein Stück mitgehen, nein, vielmehr sind wir tagtäglich auf unserem ganz eigenen Kreuzweg unterwegs, auf unserem manchmal mehr, mal weniger durchkreuzten Lebensweg.

Denn so weit wie uns das Leiden und Sterben Christi von unserer eigenen Lebensrealität fern erscheint, so nah ist es uns doch zugleich - die Fastenzeit lädt uns dazu ein, uns dieser Nähe bewusst zu werden, uns vor Augen zu führen, für wen Jesus diesen beschwerlichen Weg letztlich gegangen ist. Die Stationen des Kreuzwegs - sie sind zugleich Stationen, ja Erlebnisse und Erfahrungen unseres ganz eigenen Lebensweges, eines Weges, der ebenso durchkreuzt ist, durchkreuzt von viel Gutem, von Freude, von Glück, aber nicht weniger auch durchkreuzt von Leid, von Trauer, von Ängsten und Sorgen - kurzum: Ein Weg, der uns nur allzu oft und auch ganz unvermittelt vor Kreuzungen stellt, vor Situationen, die uns herausfordern. Kreuzungen, wie auch Jesus sie erlebt hat.

Liebe Leserinnen, liebe Leser: Wir sind eingeladen, den Kreuzweg empathisch mitzuerleben, uns hineinzufühlen in das, was damals geschehen ist - und was, wenn auch in anderer Form, heute noch geschieht - auch mit und in uns. So war es eine Verurteilung, mit der alles begann, und mehr noch: Eine Verurteilung zu Unrecht. Im Grunde eine alles andere als unbekannte Situation: Auch wir wissen, wie es sich anfühlt, in eine bestimmte Schublade gesteckt und aufgrund unserer Schwächen zu stigmatisiert zu werden. Wir können uns gut vorstellen, wie Jesus sich damals gefühlt haben muss - und auch, wie es Pilatus wohl gegangen ist: Er hat dem Druck der Menschenmenge nachgegeben, es fiel ihm zunehmend schwerer, zu seiner persönlichen Überzeugung zu stehen, und ja, auch das kennen wir - besonders dann, wenn uns die Kreuzungen unseres Lebens dazu herausfordern, einen anderen Weg als „alle anderen“ einzuschlagen, einen Weg, auf dem wir uns auch zunächst allein gelassen fühlen.

Aber das Gute ist: Wir sind es nicht. Denn Jesus war es ja auch nicht. Selbst diesen Weg, den schwierigsten Weg, den ein Mensch wohl nur gehen kann, musste er nicht alleine zurücklegen. Jesus hatte Wegbegleiter. Da war eine Veronika, die ihm ihr Tuch reichte, die sprichwörtlich seine Tränen aufgefangen hat. Mitten in der Grausamkeit des Kreuzweges zeigt sie: Nichts ist stärker als die Liebe. Und dann war da ein Simon: Er trägt mit am Kreuz Jesu, er stützt ihn, wenn er zu fallen droht. Nun liegt die Last verteilt auf mehreren Schultern, ja, Simon entlastet Jesus. Und auch dann, als sie ihm mit seinen Kleidern auch das letzte Stück Würde nehmen, ja, auch dann hat Jesus einen Begleiter - und zwar den Begleiter, auf den auch wir uns immer verlassen können: Jesus hatte Gott auf seiner Seite. Und das wusste er. Das gab ihm Kraft. Und: Das gab ihm Hoffnung. Hoffnung, die Leiden des Jetzt auszuhalten. Hoffnung, weiterzugehen. Hoffnung, dass das Kreuz eben nicht das Ende, sondern nur eine weitere Kreuzung sein wird. Eine Kreuzung, nach der es auch wieder weitergeht.

Der Kreuzweg Jesu war ein Weg, der ihn nach ganz unten brachte: An die Basis des Lebens, an das Fundament. Fast nackt war er am Ende. Viel tiefer kann man eigentlich gar nicht mehr fallen: Das letzte bisschen Würde war ihm damit genommen. Ganz schlicht und entblößt hängt er da, der Sohn Gottes - der Mensch Jesus. Mensch wie wir. Das war er. Und so hat er gelebt. So hat er gelitten. So ist er gestorben. Und hat damit eines gezeigt: Leid und Tod haben nicht das letzte Wort. Das letzte Wort hat Gott - und das letzte Wort heißt: Freiheit. Freiheit von all dem, was uns belastet, was unser Leben durchkreuzt. Freiheit von den Sorgen und Ängsten dieser Welt. Freiheit von allem Leid und aller Trauer. Befreit zu einem neuen Leben, einem Leben bei Gott. Doch auch hier, im Land der begrenzten Unmöglichkeiten, in einer Welt, die uns nur zu oft mit ihrer ganzen Härte und Kälte erschlägt, dürfen gewiss sein: Auf unserem persönlichen Kreuzweg sind wir nicht alleine - er, der Auferstandene, der, der all das schon hinter sich hat, er geht mit. Er trägt mit. Er hält unsere Hand. Er zeigt uns an Kreuzungen den richtigen Weg. Er, der all das bereitwillig auf sich nahm - weil er wusste, dass es nicht das Ende ist. Weil er wusste, dass es sich lohnt, zu kämpfen. Weiterzumachen. Nicht aufzugeben. Und, weil er es aus Liebe getan hat. Aus seiner Liebe, die nichts durchkreuzt. Alles hat er auf sich genommen. Für uns.

Liebe Leserinnen, liebe Leser: Mögen wir in diesen Tagen diese Gewissheit in uns bewahren: Das Kreuz, das Leid, das Dunkel - all das ist nicht das Ende. Der Weg Jesu war keine Sackgasse, die am Kreuz ihr Ende fand. Der Tod hatte nicht das letzte Wort. Das letzte Wort hat Gott. Auf ihn dürfen wir vertrauen - auch dann, wenn unser Weg aussichtslos scheint, wenn er uns stetig bergan führt und immer beschwerlicher wird: Gott geht mit. Er befreit uns. Seien wir also zuversichtlich. 

Mit den besten Wünschen für eine von Glauben und Gottvertrauen getragene Fastenzeit,

Jakob Link 

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