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Liebe Leserinnen, liebe Leser: 

"Vorhersagen sind schwierig, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen" - vielleicht kommt Ihnen dieses Zitat, welches den verschiedensten Persönlichkeiten zugeschrieben wird, bekannt vor. Ganz gleich, wie intensiv Sie sich mit diesen Worten bereits auseinandergesetzt haben, werden Sie feststellen, dass sie einen hohen Wahrheitsgehalt in sich tragen - und gerade in diesen Tagen gleichsam eine Herausforderung für uns darstellen. Wünschen wir uns nicht alle, in die Zukunft sehen zu können? Zu wissen, was uns auf unserem Lebensweg noch widerfahren wird? An welchen Steinen wir anecken, aber auch welche neuen Wege sich uns auftun werden? Welche Krisen es zu überstehen gilt und welche Freudenzeiten uns erwarten? Gerade in diesen turbulenten Tagen ersehnen wir nichts sehnlicher als ein Licht am Ende des Tunnels, einen Ausweg aus der Dunkelheit, ein Hoffnungszeichen. "Vorhersagen sind schwierig, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen" - diese Worte machen uns dabei zu schaffen. Es gibt keinen "Fahrplan" für unser Leben, keine Prognose für kommende Erfahrungen und oftmals - so scheint es - auch keine Perspektive. Zumindest noch nicht. Und nicht auf eine Art und Weise, die uns offensichtlich ist.

"Nicht mehr weit! Nicht mehr weit!", so singen wir in einem bekannten Adventslied. Nicht mehr weit ist es weg, das Kind in der Krippe, das uns befreit. Diese Worte machen Hoffnung wider aller Verzweiflung, wider aller Ausweglosigkeit. Verhält es sich mit der Zukunft etwa doch nicht so, wie zunächst angenommen? Gibt es nicht vielleicht doch etwas, das uns in die Zukunft blicken und zumindest erahnen lässt, was auf uns zukommt? Liebe Leserinnen, liebe Leser, um diese Frage zu beantworten, möchte ich einige Verse aus dem Markusevangelium mit Ihnen teilen: 

Eines Abends sagte Jesus zu seinen Jüngern: «Kommt, wir wollen ans andere Ufer des Sees übersetzen!» Sie schickten die Menschen weg und ruderten mit dem Boot, in dem Jesus saß, auf den See hinaus. Einige andere Boote folgten ihnen. Da brach ein gewaltiger Sturm los. Hohe Wellen schlugen ins Boot, es lief voll Wasser und drohte zu sinken. Jesus aber schlief hinten im Boot auf einem Kissen. Da rüttelten ihn die Jünger wach und schrien voller Angst: „Herr, wir gehen unter! Merkst du das nicht?“

Sofort stand Jesus auf, bedrohte den Wind und rief in das Toben der See: „Sei still! Schweige!“ Da legte sich der Sturm, und tiefe Stille breitete sich aus. „Warum hattet ihr solche Angst?“ fragte Jesus seine Jünger, „habt ihr denn gar kein Vertrauen zu mir?“ Voller Entsetzen flüsterten die Jünger einander zu: „Was ist das für ein Mann! Selbst Wind und Wellen gehorchen ihm!“ (Mk 4,35-41 HfA) 

Was ist das für ein Mann! Selbst Wind und Wellen gehorchen ihm!“ - diese Worte aus dem Markusevangelium bringen es in prägnanter Form auf den Punkt: Wie unfassbar ist dieser Jesus? Er beruhigt den Sturm und glättet die Wogen des Meeres, damit die Jünger sicher ans andere Ufer kommen - und er ist sofort zur Stelle, wenn seine Hilfe gebraucht wird. Doch nicht nur das: Er fordert uns gleichsam heraus: „Warum hattet ihr solche Angst?“ fragte Jesus, „habt ihr denn gar kein Vertrauen zu mir?“.

Liebe Leserinnen, liebe Leser: Dieser Ausschnitt aus dem Markusevangelium vermittelt uns eine zentrale und heute ebenso wie für die Zukunft besonders relevante Botschaft unseres Glaubens: Mit Vertrauen können wir unsere Angst überwinden. Gleicht nicht auch unser Leben einem Boot, welches auf offenem Meer unterwegs ist und nicht selten zum Spielball der Elemente wird? Erleben nicht auch wir tagtäglich Stürme, Krisen, in denen wir zu versinken drohen? Machen uns Sorgen, Zweifel und schließlich auch Ängste so sehr zu schaffen, dass wir vom Kurs abkommen und den Blick auf unser Ziel, das rettende Ufer, verlieren? Fühlen wir uns dieser Welt nicht gelegentlich ebenso ausgeliefert wie die Jünger den tosenden Wogen, die ihr Boot beinahe kentern lassen? 

Mitten in diese Not hinein tritt Jesus: Er beruhigt den Sturm und lässt das Unwetter verschwinden. Er sorgt dafür, dass die Jünger sicher ans Ziel kommen. Er ist zur Stelle, wenn seine Hilfe gebraucht wird. Hier zeigt sich eine bedeutende Dimension unseres Glaubens, die leider oft in den Hintergrund gedrängt wird: "Erlösung", Befreiung und Rettung - sie finden nicht erst im Jenseits statt. Schon im Hier und Jetzt dürfen wir darauf vertrauen, dass Gott uns nahe ist, dass er uns in unserem Leben und all dem, was uns widerfährt, begleitet. Das göttliche Heil ist keineswegs eine eschatologische Dimension, die erst "am Ende der Zeiten", am "jüngsten Tag" eintritt: Gottes Heilswille berührt uns unmittelbar und inmitten unseres Alltags - schließlich hat Jesus den Jüngern dann geholfen, wenn sie ihn gerufen haben - er hat sie nicht auf später vertröstet, nicht darauf, dass irgendwann, "am Ende" alles gut sein wird - nein, in der Erfahrung von Verzweiflung, Angst und Ausweglosigkeit hat er sie Anteil an seiner Heilskraft haben lassen. 

Liebe Leserinnen, liebe Leser: Gerade in diesen Tagen eines wahrlich bewegten Advents sind wir dazu eingeladen, auf Gottes Nähe zu vertrauen. Darauf zu vertrauen, dass er mit uns in einem Boot sitzt, dass er uns immer sicher ans Ziel bringen wird und nie von unserer Seite weicht. Es gibt nichts, wovor wir uns fürchten müssten. Gott wird die Wogen unseres Lebens glätten und das Meer unserer Zeit beruhigen - er hält unser aller Leben in seinen Händen, er weiß genau, was um und mit uns geschieht und kennt unsere Gedanken und Gefühle. Als seine Kinder, die er aus Liebe geschaffen hat, ist uns eines gewiss: Er ist bei uns. Wir dürfen nicht nur ihm, sondern auch uns selbst vertrauen: Mit Gott in unserem Boot sind wir allen Herausforderungen, vor die uns das Leben stellt, gewachsen. Ganz gleich, wie schwach wir uns manchmal fühlen: Zusammen mit ihm sind wir stark! Und dann, wenn wir an uns selbst zweifeln, ist er es, der uns neuen Mut zuspricht: Du bist gut so, wie du bist! Aus dem Vertrauen zu Gott dürfen wir gleichsam Vertrauen zu uns selbst schöpfen. 

"Populus Sion, ecce Dominus veniet ad salvandas gentes: „Volk von Zion, siehe, der Herr wird kommen, zu retten die Völker", so lauten die ersten Worte des Einzugspsalms am zweiten Adventssonntag - ich wünsche uns allen, dass wir diese Verheißung in unseren Herzen bewahren mögen. Glauben wir daran, dass uns der Glaube an Gott, dessen Begleitung durch die unruhige See dieser Zeit uns gewiss ist, dabei hilft, allen Sorgen und Zweifeln zum Trotz zuversichtlich zu bleiben und darauf zu vertrauen, dass er uns schon heute mit seiner rettenden Heilskraft und Liebe umfängt. Blicken wir also frohen Mutes in die Zukunft, auch, wenn uns Vorhersagen schwierig erscheinen: Für Gott sind sie es nicht. Er wird uns sicher aus der Dunkelheit ins Licht führen - nicht irgendwann, sondern jetzt. Warum haben wir also Angst? Haben wir doch einfach Vertrauen!

Mit den besten Wünschen für eine gesegnete und lichtreiche Adventszeit,

Jakob Link 

 

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