logo

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

einen „guten Beschluss“ wünschen wir einander in den Tagen vor Neujahr. Das Vergangene vergangen sein lassen, nicht länger zurück-, sondern nach vorne blicken und mit dem, was gewesen ist, abschließen: Wer sehnt sich danach nicht? Mit den Worten „guter Beschluss“ implizieren wir schließlich genau das: Es ist die Zeit gekommen, um das Jahr zu beschließen und das Kapitel 2020 zu beenden. Vielleicht wagen wir es noch, ein letztes Mal über das zu reflektieren, was uns die zurückliegenden Tage und Monate gebracht und was sie mit uns gemacht haben, ehe wir die Tür hinter uns zuziehen und den Schlüssel im Schloss umdrehen: Abgeschlossen! Ein prüfender Ruck zeigt: Die Tür ist fest verriegelt, es gibt kein Durchkommen mehr. All das, was auf der anderen Seite liegt, kann uns nicht mehr erreichen, uns nicht mehr berühren und uns nicht mehr bewegen - es ist weggesperrt, isoliert in der Vergangenheit.

Liebe Leserinnen, liebe Leser: Diese metaphorisch anmutenden Ausführungen lassen Sie gewiss aufmerken. Ist es denn wirklich möglich, auf diese Art und Weise mit dem zurückliegenden Jahr abzuschließen? Ist der „gute Beschluss“, den wir einander wünschen, in der Realität überhaupt umsetzbar? Die Antwort auf diese Fragen liegt auf der Hand: Nein. Nein, so wohlklingend diese Vorstellung auch sein mag - 2020 hat seine Spuren in unsere Herzen eingebrannt und es ist schlicht nicht möglich, diese wieder auszulöschen. Doch unser Glaube hilft uns, mit dem, was uns im vergangenen Jahr gezeichnet hat, was uns widerfahren ist und womit wir vielleicht noch zu kämpfen haben, umzugehen.

Aus den Worten des Propheten Jesaja dürfen wir Kraft schöpfen und erfahren, wie wir uns von Gott durch diesen Jahreswechsel getragen wissen dürfen:

Doch ich sage euch: Denkt nicht mehr an das, was früher war! Bleibt nicht bei der Vergangenheit stehen! Schaut nach vorne, denn ich will etwas Neues tun! Es hat schon begonnen, habt ihr es noch nicht gemerkt? Durch die Wüste will ich eine Straße bauen, Flüsse sollen in der öden Gegend fließen. […] Ich sorge dafür, dass mein geliebtes Volk auf seinem Weg genug zu trinken hat. (Jes 43, 18-20 HfA)

„Schaut nach vorne!“ - von dieser Devise sollten wir uns leiten lassen. Zuversichtlich dürfen wir in die Zukunft blicken - und dies im festen Vertrauen darauf tun, dass Gott uns begleiten wird bei alldem, was dort auf uns wartet. „Es hat schon begonnen, habt ihr es noch nicht gemerkt?“ - diese Frage, man mag sie nahezu als rhetorisch bezeichnen, fordert uns dazu heraus, unser Glaubensbild auf den Prüfstand zu stellen: Verorten wir das Wirken Gottes in der Endzeit, interpretieren wir die Heilsbotschaft als bloße Vision, als eschatologische Dimension, die uns am „jüngsten Tag“, aber gewiss nicht im Hier und Jetzt betreffen wird? Haben wir es noch nicht gemerkt? An Weihnachten, dem Fest der Menschwerdung Gottes in der Person Jesu wurde uns offenbar, wie nah Gott uns ist - schließlich wurde er wahrlich einer von uns und hat unser Leben mit all seinen Höhen und Tiefen erfahren - daher ist uns eines gewiss: Ganz gleich, auf welchen Wegen wir gehen und gehen werden - Gott geht mit. Das ist unser Glaube, mehr noch, unsere Gewissheit, auch für das neue Jahr.

Liebe Leserinnen, liebe Leser: Blicken wir vor dem Horizont dieses unseres Glaubens zurück auf die Erfahrungen, die uns das vergangene Jahr geschenkt hat. Betrachten wir die Dunkelheiten, die Zeiten, die uns zu schaffen gemacht und mit denen wir noch immer nicht abgeschlossen haben, nicht als Momente der Gottverlassenheit, sondern als Phasen, die uns nur noch stärker in unserer Hoffnung haben werden lassen, als Prozesse des Wachstums in uns selbst ebenso wie in unserer Beziehung zu Gott. Und tun wir dies im festen Vertrauen darauf, dass er uns besonders in ebenjenen Augenblicken unseres Lebens nahe ist und an alldem, was uns widerfährt, mitträgt - ganz so, wie er es auch im neuen Jahr wieder tun wird. „Bleibt nicht bei der Vergangenheit stehen!“ - legen wir all die Lasten der zurückliegenden Monate in seine Hände, werfen wir den Ballast ab, der uns davon abhält, uns auf den Weg zu machen - auf den Weg in eine neue Zeit, „eine neue Welt, in der ein Glaube uns zusammenhält“, wie wir es in einem Lied singen: Eine Zeit, in der wir uns verbunden wissen dürfen mit Gott und untereinander.

Liebe Leserinnen, liebe Leser: In diesen Beziehungen und besonders in jener zu Gott finden wir Halt für die Herausforderungen des neuen Jahres. Er, der „durch die Wüste eine Straße bauen will“, stärkt uns für das, was in 2021 auf uns wartet - und was auch immer das sein mag: Wir werden damit nicht alleine gelassen. Gott selbst wird uns begleiten - er wird für uns da sein. Gottes Heil ist schon heute mitten unter uns - Es hat schon begonnen, habt ihr es noch nicht gemerkt?

Der Herr sagte zu Mose: „Wenn Aaron und seine Söhne den Leuten von Israel den Segen erteilen, sollen sie sprechen: Der Herr segne euch und beschütze euch! Der Herr blicke euch freundlich an und schenke euch seine Liebe! Der Herr wende euch sein Angesicht zu und gebe euch Glück und Frieden! Mit diesen Worten sollen sie den Leuten von Israel die Segenskraft meines Namens zusprechen. Dann werde ich mein Volk Israel segnen." (Num 6, 22–27)

Mit diesen Worten, welche der Lesung aus dem Buch Numeri, die wir am Neujahrstag hören, entnommen sind, wünsche ich Ihnen allen von Herzen ein gesundes und glückliches Jahr 2021. Vertrauen wir darauf, dass Gott uns ein treuer Begleiter durch die kommende Zeit sein wird - er, der seinen Sohn Jesus Christus in unsere gewiss nicht heile Welt geschickt hat, der Mensch geworden ist wie wir und der unser Leid, unsere Sorgen und Nöte mitgetragen hat und auch jetzt noch mitträgt. Gehen wir also erfüllt von dieser Gewissheit ins neue Jahr: Er, Gott, geht mit.

Ihnen und Ihre Familien alles Gute!

Ihr Jakob Link 

­