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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

bei den Vorbereitungen für einen Familiengottesdienst mit unseren Erstkommunionkindern bin ich auf eine alternative Deutung der vier Kerzen am Adventskranz gestoßen, die sich sehr gut in Einklang mit unserer Lebensrealität bringen lässt und das, worauf es im Glauben eigentlich ankommt, auf einer metaphorischen Ebene und doch ganz plastisch und pointiert darstellt. 

So steht die erste Kerze für den Frieden. Auf unserem Kontinent ist es in der heutigen Zeit nahezu selbstverständlich, dass diese Kerze fortwährend brennt und nicht zu erlöschen droht - zumindest auf den ersten Blick. Wer ganz nah hinschaut, der wird feststellen, dass es doch ab und an Momente gibt, in denen die kleine Flamme unruhig wird und ein kleiner Windhauch genügt, um sie endgültig verschwinden zu lassen. Diesen Windhauch bekommen wir auch - und vielleicht gerade - in unserer modernen Welt öfter zu spüren, als uns das lieb ist. Die Erfahrung von Mobbing in der Schule oder am Arbeitsplatz ist vielen Menschen nur allzu vertraut und wenn wir einmal ganz ehrlich sind, gibt es in unserem Umfeld mit ziemlicher Sicherheit den ein oder anderen Konflikt, an dem auch wir selbst nicht ganz unbeteiligt sind oder waren. Und somit ist die Kerze des Friedens in ständiger Gefahr, von uns selbst ausgelöscht zu werden - denn nur ein kleiner Windhauch, eine vielleicht als harmlos eingeschätzte Streiterei oder ein vorschnelles Urteil genügen, um die kleine und ungeschützte Flamme in Rauch zu verwandeln, bis schließlich nichts mehr von ihr zu sehen ist. 

Die zweite Kerze steht für das Vertrauen. Vertrauen ist sehr wichtig im Leben, denn einem Menschen ganz und gar vertrauen zu können, das ist ein wirklich unfassbar großes Geschenk. Wenn man sich hundertprozentig aufeinander verlassen kann, dann ist das ein immenser Gewinn. Aber nicht nur einander können wir vertrauen, sondern auch uns selbst. Jeder von uns hat Talente und Begabungen, Dinge, die man besonders gut kann. Da dürfen wir auch auf uns selbst vertrauen, dass wir gut so sind, wie wir sind. Ein solches "blindes Vertrauen" ist sehr schön, wenn es gelingt. Rufen wir uns nun wieder die Wirklichkeit vor Augen, so kennen wir die Erfahrung, dass Vertrauen ausgenutzt oder ein Versprechen gebrochen wird, nur allzu gut. Da werden uns allerlei Aufgaben und Verpflichtungen anvertraut, und manchmal fühlen wir uns diesen gar nicht gewachsen. Dann wiederum will uns jeder in sein Vertrauen ziehen, und ab und an mutet man uns dabei viel zu viel zu. Schließlich müssen wir Enttäuschungen miterleben, wenn Vertrauen mit Füßen getreten wird. Und wäre das nicht schon genug, so bekommen wir mal mehr, mal weniger oft zu hören, dass wir etwas nicht gut können, dass "die anderen" das besser machen. Da wird unser hart aufgebautes Selbstvertrauen ganz schön brüchig, und auch unserer "Vertrauens-Kerze" tun diese Rückschläge alles andere als gut - unsere Lebenswirklichkeit, die so manches Mal mehr einem tosenden Sturm als einem Windhauch gleicht, lässt auch diese Kerze erlöschen. 

Die dritte Kerze symbolisiert die Liebe. Sie spricht von dem, was Jesus den Menschen gepredigt hat. Er hat gesagt: „Liebe deinen nächsten wie dich selbst!“. Dieser Satz Jesu ist für viele Glaubende Ansporn zur Nächstenliebe geworden. Viele Menschen sind ehrenamtlich in unseren Gemeinden für andere tätig, beispielsweise durch Besuche bei Einsamen und Kranken, in der Seelsorge, im Einsatz für Hilfsbedürftige und vieles andere mehr. Es geschieht viel, und das ist gut so. Aber ich halte dagegen: Das alles ist viel zu wenig, verglichen mit dem, was es in unserer Gesellschaft an Negativem gibt. Phrasen wie "soziale Kälte" klingen beim ersten Hören recht abstrakt und es fällt uns schwer, derartige Formulierungen mit unseren täglichen Erfahrungen in Einklang zu bringen. Aber wenn wir uns einmal der Worte Jesu bewusst werden und uns die Frage stellen, wie oft wir es erleben, dass unsere Mitmenschen "uns lieben, wie sich selbst", dann stellen wir fest, dass unsere Gesellschaft nicht nur kalt, sondern nahezu eisig ist. Die wärmende Liebe fehlt, ein jeder ist auf möglichst viel Leistung getrimmt, die emotionale Komponente bleibt völlig außer Acht. Die so oft gepredigte christliche Nächstenliebe sucht man in unserer Zeit vergeblich, sie ist nur in Worten existent und verfliegt schnell, so schnell wie die Flamme der "Liebes-Kerze", die angesichts unseres tristen, grauen Alltags nicht länger brennen kann. 

Von den vier Kerzen bleibt nunmehr eine einzige übrig. Diese letzte Kerze ist die Kerze des Glaubens, und diese Kerze wird niemals erlöschen - denn es gibt keinen Grund dazu. Die anderen Kerzen brennen nicht mehr, weil es einen Grund dafür gab. Und genau genommen war es immer der gleiche Grund: Es war der Blick auf die harte Realität. Es war immer der Blick auf das Negative, auf das Schlechte, der dazu geführt hat, dass die Kerzen ausgelöscht wurden. Damit wird eines ganz deutlich: Es wird deutlich, was in uns, in unserer Seele abläuft: Die negative Sicht auf die Dinge gewinnt immer wieder die Oberhand und das "Ausblasen" der Kerzen macht genau das deutlich - es steht für all das Schlechte, das uns "runterzieht", das uns den Blick für das Gute in unserem Leben nimmt. Die erloschenen Kerzen sind ein Zeichen dafür, dass wir immer wieder den Mut verlieren und vor der Macht des Faktischen, vor der Macht unseres grauen Alltags resignieren, dass wir immer wieder aufgeben.

Aber da ist jetzt noch die Kerze des Glaubens. Der Glaube an Gott gibt uns die Hoffnung, dass er es gut mit uns meint. Dass er uns in unserem Leben begleitet und uns treu zur Seite steht. Dass er uns an die Hand nimmt und uns sagt: Du bist gut so, wie du bist. Und dass sich sein guter Wille gegen all das Dunkel unserer Welt durchsetzen wird, dass es nichts mehr gibt, wovor wir Angst haben müssen. Und deshalb dürfen wir trotz allem, was wir an Dunklem sehen, die Hoffnung nicht aufgeben! Wenn wir auf Gott vertrauen, dürfen wir immer wieder neu Mut und Zuversicht aus dem Glauben schöpfen.

Für mich haben die vier Kerzen am Adventskranz eine ganz neue Bedeutung gewonnen. Sie sind zum Zeichen dafür geworden, dass Friede, Vertrauen und Liebe durch den Glauben immer wieder neu aufflammen. Dass Gott uns durch die Dunkelheit begleitet, dass er uns mit seinem Licht den Weg weist. Im Johannesprolog lesen wir: "Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles wurde durch durch das Wort, und ohne das Wort wurde auch nicht eins, das geworden ist. In ihm war Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst“.

Liebe Leserinnen, liebe Leser: Das Weihnachtsfest ist in unserer heutigen Zeit bedeutungsvoller denn je! Lassen wir uns auf dieses einzigartige Geschenk Gottes ein, dass durch Jesus Christus in der Heiligen Nacht zu uns gekommen ist. Er ist das Licht der Welt, er macht das Dunkel unseres Alltags hell. Keine Finsternis ist stark genug, um dieses Licht auszulöschen. 

Ich wünsche Ihnen, dass Sie diese Zuversicht mit ins neue Jahr nehmen: Jesus Christus begleitet Sie auf ihrem Lebensweg, er schenkt Ihnen das Licht des Glaubens, das stärker ist als alles Dunkel. An diesem Licht dürfen Sie immer wieder neue Hoffnung schöpfen, an diesem Licht können Sie ihre Kerzen von Frieden, Vertrauen und Liebe neu entzünden. 

Auch im Namen aller haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Pfarreiengemeinschaft "Am Engelberg" möchte ich Ihnen für das neue Jahr 2020 die besten Glück- und Segenswünsche mit auf den Weg geben - das größte Geschenk aber kommt von Gott: Nehmen Sie das Licht der Weihnacht in ihr Herz hinein, auf dass es Sie durch alle Höhen und Tiefen der kommenden Zeit begleiten möge. 

Ihr

Jakob Link 

 

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